Das alte Schloß, die alten Stadtmauern und Stadttürme
Menden Artikelserie in der Westfalenpost vom 17.5. bis 16.6.1951
Auf der Jahreshauptversammlung des Mendener Museums- und Heimatvereins hielt Rektor a.D. Sommer einen Vortrag über Alt - Menden unter besonderer Berücksichtigung des alten Schlosses, der alten Stadtmauern und Stadttürme, von denen heute noch Reste vorhanden sind. Als Beitrag zur Geschichte Alt - Mendens beginnt die Westfalenpost heute mit der Veröffentlichung dieses sicherlich einen größeren Teil der Bevölkerung interessierenden Vortrages
Rechtschreibung wie Zeitungsartikel 1951
Der Name " Walramstraße " erinnert uns täglich daran das der Erzbischof Walram von Jülich viel für unsere Heimatstadt getan hat. Die Stadtrechte besaß Menden schon etwa 50 Jahre, als Walram zur Regierung kam. Wie Dr. Kranz überzeugend bewiesen hat, wurde die villa munita, die befestigte Ansiedlung Menden, von dem Erzbischof Siegfried von Westerburg (1275 bis 1297) zur Stadt erhoben.
Das war jedenfalls eine Belohnung für die Treue und Unterstützung, die Menden dem Erzbischof gezeigt hatte, als dieser einen unglücklichen Krieg gegen seine Stadt Köln und deren Verbündete führen mußte. In der Schlacht bei Worringen (1288) wurde Siegfried geschlagen und gefangen genommen. Im selben Jahr wurde Menden von dem Grafen von der Mark und Kölner Bürgern eingenommen, und die Befestigungen ( Planken, Gräben, Wälle ) wurden zerstört.
Als man den Erzbischof aus der Haft entließ, mußte er versprechen, Menden nicht wieder zu befestigen. Das Menden nun bald wieder befestigt wurde, verdankt es dem Erzbischof Walram von Jülich ( 1332 bis 1349 ). Die erste Befestigung wurde 1344 von dem Grafen von der Mark und dem Grafen von Arnsberg erneut überfallen und vernichtet. In den Jahren 1344 bis 1349 wurde dann die Stadt zum zweiten Male befestigt, stärker als vorher.
Es wurden feste Stadtmauern mit drei starken Toren und 12 Türmen gebaut, von denen heute noch drei vorhanden sind. Und im Anschluss daran wurde außerhalb der Stadtmauern ein festes Schloß gebaut. Leider wissen wir nichts näheres über dieses Schloß, und kein Bild ist uns erhalten, das uns zeigt, wie es aussah, wie groß es war. Es ist uns auch unbekannt, ob es häufiger von den Landesherren besucht wurde.
In der ältesten Mendener Chronik, die 1712 von dem aus Menden stammenden Hausgeistlichen Wilhelm Braun geschrieben wurde, heißt es, daß die "Kölner Kurfürsten sich oft des Amtshauses am rauschenden Forellenbach der Hönne, zu ihrem Plaisier bedienet und daselbst residieret haben, insonderheit Ernst aus dem Hause Bayern der von 1583 bis 1612 regierte."
Es soll durchaus nicht abgestritten werden, daß Ernst von Bayern oft hier geweilt hat, daß auch in den folgenden Jahrhunderten bis 1802 der eine oder andere Kurfürst hier gewesen ist; aber unser Stadtarchiv schweigt sich darüber ganz aus; es fehlt der geringste Hinweis auf einen solchen Besuch der doch eigentlich in den Ratsprotokollen hätte verzeichnet werden müssen.
Der Grund ist vielleicht der folgende: Ernst ist der erste der fünf bayrischen Prinzen, die nacheinander von 1583-1761 also 178 Jahre in Köln regierten. Bayern oder vielmehr die Wittelsbacher betrachteten des Kurfürstentum Köln als ihren Stützpfeiler in Nordwestdeutschland und sie sorgten dafür, daß immer ein Wittelsbacher von dem Domkapitel gewählt wurde, das durchweg aus Angehörigen des Hochadels bestand, die ihr Amt erhalten hatten, weil sie Anhänger der Wittelsbacher waren. So folgten einander: Ernst Ferdinand, Maximilian Heinrich, Josef Klemens und Klemens August.
Alle diese Kurfürsten - auch die beiden letzten, die von 1761-1801 regierten - hatten eines gemeinsam: sie waren vor allem weltliche Fürsten und suchten nach Möglichkeit noch weitere Bistümer unter ihre Herrschaft zu bringen, und sie alle haben dieses Ziel auch erreicht. So besaß z.B. Klemens August, der letzte Wittelsbacher in Köln, auch die Bistümer Münster, Paderborn, Osnabrück und Hildesheim. Dadurch hatte er gewaltige Einkünfte, die noch vermehrt wurden durch riesige Summen, die er von Frankreich erhielt. Leider waren diese deutschen Fürsten meist Anhänger und blinde Bewunderer der französischen Könige (Ludwig XIV und XV, 1641-1774). Dann war er noch Großmeister des Deutschen Ordens, der ihm auch große Einkünfte erbrachte.
So waren sie in der Lage die Künste und Wissenschaften zu pflegen und namentlich kostbare Bauten zu errichten. Und so entstanden neben schönen Kirchen (Klemenskirche in Münster u.a.) auch herrliche Schlösser, von denen hier erwähnt werden sollen das Residenzschloß in Bonn, die Schlösser in Brühl, Arnsberg, Hirschberg, Paderborn, Klemenswerth im Emslande usw.
So reisten die Kurfürsten vielfach von einem Schlosse zum anderen, meist mit einem gewaltigen Gefolge; so lesen wir in der Geschichte der Stadt Arnsberg, das Kurfürst Ferdinand mit 346 Personen und 233 Pferden nach Arnsberg kam. Zum Gefolge gehörten hohe Offiziere, Kammerherren, Geheime Räte, Kammerdiener, Edelknaben, Musiker, Lakeien und viele andere.
Es ist anzunehmen, daß das Mendener Schloß diesen hohen Herren zu klein und zu alt und unbedeutend war, deswegen hören wir auch nichts von solchen Besuchen, die gewiß auch der Stadt gewaltige Einquartierungslasten gebracht hätten Was bringt nun das Mendener Stadtarchiv über das Schloß ? Ganz kurz gesagt: es bringt uns nur einiges über den Abbruch des Schlosses.
In den Ratsprotokollen des Jahres 1789 lesen wir zum ersten Male etwas über den Abbruch des alten Schlosses. Am 1.Dezember 1789 wurde der Beschluß gefaßt des Inventar des Schlosses zu verkaufen. Gewiß ist anzunehmen, daß die Stadt dazu berechtigt war und durch Kauf oder Schenkung in den Besitz dieses bisher kurfürstlichen Eigentums gekommen war, aber darüber erfahren wir nichts näheres. Das Inventar das noch vorhanden war (was?) wurde versteigert und das Geld mußte binnen acht Tagen an den Prokonsul Schmidt abgeliefert werden, der diese Gelder, getrennt von den sonstigen städtischen Einnahmen zu verwalten hatte. Die Käufer mußten die Sachen binnen 4 Wochen fortgeschafft haben.
Am 4. Januar 1790 wurde der Beschluß gefaßt, daß die auf dem Schlosse befindlichen Pfannen an die Bürger verkauft werden sollen; die besten sollen je 100 Stück 1 Reichstaler, die anderen nur 1/2 Reichstaler kosten, doch soll keiner mehr als 300 Stück kaufen können.
Dann wurde das Holz des Daches zusammengefaßt und in drei Losen verkauft. Dieser Verkauf wurde auch in Hemer, Iserlohn, Balve und Fröndenberg bekanntgemacht.
Den weiteren Abbruch des Schlosses leiteten Peter Muer und Wilhelm Rübe. Letzterer ließ sich am 7.April 1790 als Bürger aufnehmen, da wer bereits das Raffenbergsche Haus besaß. Für das Bürgergeld will er den Abbruch des Maurerwerks vom alten Schloß bis auf die 1. Etage übernehmen und verlangt nur noch 7 Reichstaler bare Zahlung. Der Stadtrat geht auf seinen Vorschlag ein. Am 26. April wird dann der Abbruch des Restes in 4 Losen an die Wenigstfordernden vergeben; zweimal war es Eberhard Fringes und zweimal Franz Raffenberg.
Im folgenden Jahre wurde am 8. Oktober beschlossen, daß die Steine vom Schloß für die Pflasterung der Mühlenstraße gebraucht werden sollen. Im Jahre vorher - 1790 - hatte Dolph Menge aus Arnsberg die Mendener Hauptstraße zum ersten Male gepflastert. Unter seiner Oberleitung und der Aufsicht von 2 "capablen" Leuten, nämlich Caspar Friedrich und Johann Heinrich Hessenkamp, sollen 10 Mendener Einwohner "im Stadtwerk" (als Pflichtarbeit) die Arbeiten leisten. Trotzdem wurde im Jahre 1792 festgestellt, daß die Pflasterung der Mühlenstraße bereits 1540 Reichstaler und eine Reparatur der Hauptstraße noch 54 Reichstaler gekostet hatten.
Im Düsseldorfer Staatsarchiv fand ich 1939 folgende Eintragung: (Geheime Staatsprotokolle Band 90, Seite 148) 12. März 1791. Advokat Amecke in Menden beantragt Erbpacht des leeren Raumes des ehemals daselbst gestandenen Amtshauses, des anschließenden Gartens und Schloßteiches. Der Vater des Antragstellers hat von einem Flügel des Amtshauses die Materialien gekauft. Suplicant will diesen Flügel zur Wohnung einrichten, will 7 1/2 Reichstaler Pacht zahlen. Von einer anderen Hand ist die Entscheidung eingetragen: Finde die Erbpacht nicht für rätlich, zu billig. Platz wird vielleicht wieder gebraucht.
Im November 1791 beriet der Stadtrat, wie es mit dem Fundament des alten Schlosses gehalten werden solle. Da es "gegossen und anderster nicht als durch Sprengen mit Pulver aus der Erde zu bringen sei, in welchem Falle aber die Steine zu nichts mehr zu gebrauchen seien, so ist beschlossen, das Fundament der Erde gleich und soviel möglich einen Schüppenstich tief ausgenommen" werden solle. Das war das Ende des Mendener Schlosses!
II.
Nun wird man sagen: das Schloß soll abgebrochen worden sein? Es steht doch noch, wir sehen es alle Tage!
Dieser Widerspruch kann meines Erachtens so gelöst werden. Bei den Beratungen über den Abbruch ist wiederholt der Ausdruck gebraucht das a l t e Schloß. Vielleicht galt der jetzt noch stehende Bau als das n e u e Schloß, daß vom Abbruch nicht betroffen wurde. Der jetzt noch stehende Teil wird auch nicht bis in das 14. Jahrhundert zurückreichen, höchstens das Fundament und ein Teil der Keller. Die oberen Teile, besonders das Mansardendach, sind gewiß erst um 1700 gebaut worden. Aber andererseits kann man auch nicht sagen, auf dem alten Fundamente sei nach 1792 dieser Neubau errichtet worden. Der Bau ist sicherlich mindestens 100 Jahre älter.
Das Schloß lag außerhalb der Stadtmauern, wie es wiederholt heißt und der noch stehende Rest der Mauer auch beweist. An der Ostseite war das Schloß durch die Stadtmauer geschützt, und an den anderen Seiten war meines Erachtens durch die Fortsetzung des Stadtgrabens und des Walles ein gewisser Schutz, so daß es einer Wasserburg glich, wie wir solche besonders im ebenen Münsterlande haben. Es ist wohl nicht abzustreiten, daß die Häuser Suren, Dr. Willecke, die Stadtsparkasse am Westwall und das Haus der Erben van Bömmel im ehemaligen Stadtgraben stehen, der dann bis zum Mühlentor reichte und nach außen von dem Walle umgeben war.
Ganz außerhalb der Mauern, des Grabens und Walles lagen dann noch die Mühlen, von denen die Mahlmühle noch vorhanden ist, während die Lohmühle, die Schneidemühle und die Papiermühle nicht mehr bestehen. - Die Stadtmauer umgab die ganze damalige Stadt, die um 1600 vielleicht 1.000 Einwohner zählte. Kein Haus, außer dem Schlosse und den Mühlen lag damals außerhalb der Mauer. Sie war etwa 5 m hoch und bestand aus einheimischem Gestein, aus Mendener Konglomerat, Sandstein, Grauwacke usw., und wir können heute noch feststellen, daß man damals schon einen guten Mörtel zu bereiten verstand.
Bei den noch vorhandenen Resten ist die Dicke der Mauer rund 90 cm, die schmalen Schießscharten sind innen 60, außen 10-15 cm breit. Verstärkt wurde die wahrscheinlich von Zinnen gekrönte Mauer durch Türme und Stadttore. Außerhalb der Stadtmauer war der mindestens 5 m breite Stadtgraben, der durch Wasser aus dem Mühlengraben und dem Glockenteiche gefüllt wurde. Die Länge der ganzen Stadtmauer betrug zwischen dem Niedersten Tor über die Bergstraße bis zum Obersten Tor 520-530 m, und das westliche Stück war ungefähr ebenso lang.
Von dieser Mauer sind noch 2 größere Stücke erhalten; das bekannteste ist an der Bergstraße bei dem 2. und 3. Hause links. Es ist besser zu sehen vom Nordwall aus, die Länge beträgt 5 1/2 und die Höhe 4 1/2 m. Erheblich größer ist ein Stück bei der Krümmung der Turmstraße beim Wagenplatz der Spedition Lehmkühler. Es ist durch Schuppen zum Teil verdeckt, so daß die Maße nicht angegeben werden können. Wir müssen uns vor Augen halten, daß die Stadtmauer frei stand; die Häuser, die jetzt an der Außenseite der Bergstraße usw. stehen sind erst in den letzten 200 Jahren entstanden und haben noch vielfach in ihren Fundamenten Reste der alten Mauer. Damit man nun in Kriegszeiten an die Schießscharten konnte, führte ein Laufgang an der Mauer entlang, von dem an der Bergstraße bei Nr. 3-5 und 21-27 noch Reste erhalten sind; es scheinen einfache Erdwälle gewesen zu sein.
Als die Stadtmauern im 14. Jahrhundert gebaut wurden, führte man die Kriege noch mit Armbrust, Speer und Schwert, da hatten die Mauern noch einen Wert. Aber im 30jähringen Kriege, als 1634 die Hessen nach dreimaligem Ansturm die Stadt eroberten und plünderten, zeigte es sich, daß sie keinen Schutz boten bei einer Beschießung mit Geschützen.
Obwohl also nicht gesagt werden kann, daß die Stadtmauern nach der Erfindung des Schießpulvers noch unbedingt notwendig waren, hat der Stadtrat noch Jahrhunderte dafür gesorgt, daß sie erhalten und in gutem Zustande blieben. Wiederholt lesen wir in den Ratsprotokollen, daß die Mauern repariert und Bürger bestraft wurden, die Schaden an den Mauern angerichtet hatten. So wurde 1773 Phil. Grevener vor den Stadtrat geladen, weil er ein Loch in die Stadtmauer gebrochen haben solle.
Es heißt dann: weil die Diebe die beste Gelegenheit haben, dadurch ihre Räubereien in und außerhalb der Stadt auszuüben, wird eine fühlbare Strafe beantragt. Grevener behauptet, er habe nur einige Steine gebrochen, das Loch sei schon vorher dagewesen. Er verspricht, auf seine Kosten das Loch wieder zuzumachen, und der Stadtrat ist damit einverstanden.
Auch die GRAVAMINA (Beschwerden), die dem neugewählten Stadtrat bei der 1. Sitzung vorgelegt wurden, zeigen, daß die Bürger den größten Wert darauf legten, die Stadtmauern, Tore und Türme zu erhalten.
So lesen wir 1683: ......ist nötig, das die Löcher in den Mauern gebessert und repariert werden.
1712: Bürgermeister und Rat sollen nicht zulassen, das Häuser auf den Maurern herumhangen und gebaut werden.
1714: Die Mauern werden dergestalt untergraben, das sie umfallen müssen. Die Leute nehmen die Steine weg und gebrauchen sie zu ihrem Nutzen, das möge bei starker Strafe verboten werde n.
1753: Es ist schimpflich und schändlich, wie die Tore, Türme und Mauern verfallen. Die Gemeinheit begehrt, mit allem Fleiß müsse dahin gesehen werden, das die nötigen Reparaturen baldigst vorgenommen würden, bis man wieder die Stadt von einem Dorfe unterscheiden könnte.
Noch 1787 wurde mit dem Meister Simon der Vertrag abgeschlossen, er solle die Mauern für 60 Reichstaler ausbessern; das nötige Holz für die Gerüste stellte die Stadt.
Aber im selben Jahre begann man mit dem Abbruch der Stadtmauern. Dem Bürgermeister Rieve wurde auf sein Ansuchen erlaubt, einige Steine von der Stadtmauer abzunehmen und zu verwerten. Er musste dafür 1 Reichstaler an die Stadtkasse zahlen und die Steine dort nehmen "wo es der Mauer am unschädlichsten ist" Einige Wochen später heißt es: "dem Joh. Hallmann sind die von der Stadtmauer abgeworfenen Steine für 12 Stüber belassen."
In den ersten Monaten des Jahres 1790 wurden weitere Teile der Stadtmauer und des Grabens verkauft. Die Stadtmauer durfte beim Hausbau benutzt werden, doch durfte darin kein Ausgang, keine Tür gebrochen werden.
Auch in den folgenden Jahren wurde wiederholt einzelnen Bürgern die Erlaubnis gegeben Steine von der Stadtmauer für ihre Bauten zu gebrauchen, so z.B. 1805 Tremblau für einen Gossenbau, 1807 Kortmann für einen Hausbau usw. Ganz besonders viele Steine wurden auch für den Wegebau gebraucht, namentlich für den Werlweg, wie man damals sagte. Und andere wurden zum Ausfüllen des Stadtgrabens benutzt. Für Wegebauten und für andere Zwecke wurden auch viele Steine gebraucht, die bei dem Abbruch der Stadttore und Türme gewonnen wurden.
III.
Daß Menden drei Stadttore hatte, steht unwidersprochen fest. Es gab ein Niederstes- , ein Oberstes- und ein Mühlentor oder die Mühlenpforte. Ueber die Zahl der Türme kann man verschiedener Meinung sein. Meist wird gesagt, Menden habe 12 Türme gehabt - von denen noch drei erhalten sind -, und diese Zahl 12 scheint richtig zu sein. Was sagt das Archiv darüber ?
Aus dem Jahre 1689 liegt ein Schriftstück vor, das wir als eine Mobilmachungsordnung ansehen können. Es war wieder einmal zu einem Kriege zwischen den Franzosen und den Deutschen gekommen, auf den wir hier nicht weiter eingehen können. Es sei nur erwähnt, daß auf dem linken Rheinufer und besonders in Südwest-Deutschland heftige Kämpfe tobten, bei denen u.a. Bonn, Speyer, Heidelberg usw. in Schutt und Asche sanken.
Der damalige Mendener Stadtrat unter dem tatkräftigen Bürgermeister Johann Heinrich Wulff bereitete alles für einen etwaigen Angriff der Feinde vor, der aber nicht kam. Nicht nur die Schützenbrüder, sondern auch die anderen wehrhaften Bürger werden auf die Türme und Wachen verteilt. Nicht weniger als 154 Bürger sind mit Namen aufgeführt. Jedem wird sein Platz angewiesen, den er beim Heranrücken des Feindes einnehmen muß: entweder an der Obersten-, Niedersten- oder Mühlenpforte, am Pulverturm, am Poenigeturm, Rentschreibersturm, am schmalen, am grauen Turm, am Turm hinter dem Widenhofe (Pfarrhaus), am Düvelsturm, an der Menkenwacht, an der Hauptwacht usw.
Namen für Türme tauchen auf, die wir nie wieder hören; dagegen finden wir später andere Namen die hier fehlen. Es ist anzunehmen, daß manche Türme im Laufe der Jahrhunderte einen anderen Namen erhalten haben, wie wir das bei dem Turm an der Bergstraße noch vor einigen Jahrzehnten erlebt haben: aus dem Teufelsturm wurde ein Siebertsturm, weil eine Familie namens Siebert darin wohnte, und jetzt trägt der Turm wieder den alten Namen Teufelsturm.
Was sagen nun die Ratsprotokolle über die Türme ?
Es sei in Kürze hier chronologisch aufgeführt.
Schon im Jahre 1656 beschäftigte sich der Stadtrat in einer Sitzung mit einer Turm-Angelegenheit. Die Brüder und Vettern Wilhelm, Franz und Caspar Schmittmann sollen beweisen, welches Recht sie an dem von ihnen benutzten Turm bei der Niedersten Pforte haben. Sie erklären, daß ihre Voreltern seit "unvordenklichen" Zeiten diesen Turm innegehabt haben. Sie mußten dafür den Turm in Dach und Fach halten und der Stadt jährlich 10 Stüber bezahlen. Daß der Turm Eigentum der Stadt ist, wurde ausdrücklich zugegeben.
Der Rat beschließt, der Familie den Turm zu belassen, wenn weiterhin jährlich 10 Stüber bezahlt würden. Sie müßten den Turm innerhalb fünf Jahren mit einem beständigen Dach versehen und immer in gutem Zustande erhalten. Nach fünf Jahren solle es der Stadt freistehen, nach Belieben über den Turm zu verfügen; in Kriegszeiten müsse die Stadt sofort den Turm wieder gebrauchen können.
Unter dem 1. Februar 1723 finden wir die zweite Notiz: Ludolf Wulff zeigte namens seiner Mutter einen Erbkaufbrief, nach dem ihr der sogenannte Düinger Turm zu gebrauchen zustände. Als nun genannter Turm gedeckt, hätte der Stadt-Camerarius die Schlüssel holen lassen und nicht zurückgegeben. Er bat, die Briefschaften zu erwägen und sie bei dem Inhalt zu belassen. Bescheid: Die Erklärung soll demnächst erfolgen. Weiter ist nichts gesagt. - Bei diesen beiden Angelegenheiten handelt es sich wahrscheinlich um denselben Turm, den Düing- oder auch Ueding-Turm, der zwischen der Niederen Pforte und dem Poenigeturm gestanden haben soll.
Am 7. März 1750 erklärte sich der Pastor Eberhard Zumbroich bereit, der Stadt Menden 200 Reichstaler zu erlegen (leihen), wenn er den Stadtgraben zwischen dem Trumpe-Turm, etwas nördlich der Obersten Pforte, und dem Teufelsturm nach seinem Willen und Wohlgefallen lebenslänglich benutzen dürfe. Der Stadtrat geht darauf ein und erlaubt ihm, zum Ein- und Ausgang eine Tür in die Stadtmauer machen zu lassen. - 1764 läßt Pfarrer Zumbroich für 20 Reichstaler die Stadtmauer von dem Teufelsturm bis zu Obersten Pforte reparieren.
1790 hören wir zum ersten Male davon, daß ein Turm abgebrochen werden soll. Von Iserlohn war ein Adolf Friedrich Basse nach Menden verzogen und hatte hier die Fabrikation von Seiden- und Samtbändern aufgenommen. Die Stadt unterstützt ihn auf jede Weise, er wird sofort als Bürger angenommen, pachtet für die Bleiche den Fillplatz (Sportplatz des Gymnasiums) für jährlich 17 Reichstaler und er hat seine Wohnung bei dem Pulverturm in der Nähe des Obersten Tores. Er stellt den Antrag, diesen Turm auf seine Kosten bis zur Höhe der Stadtmauer abtragen zu dürfen, dann wünscht er noch eine Tür in der Mauer anzulegen, um dadurch schneller zu seiner "Fabrik" gehen zu können.
Beides wird genehmigt, aber die Pforte in der Mauer soll immer verschlossen und der Durchgang nur ihm und keinem anderen gestattet sein.
IV.
Am 4. Juli 1790 war einhellig beschlossen worden ein neues Niederstes Tor zu bauen. Dazu ist aber wohl nicht gekommen, denn am 15. März 1794 wird angezeigt, daß der Bogen und überhaupt das Mauerwerk der Niedersten Pforte dem Einsturz nahe sei. Der Camerarius Pantel wurde beauftragt, die schweren Bohlen für den Brückenbau zu gebrauchen, es sollen die Bohlen hier durch leichte "Stanketten" ersetzt werden.
Im Jahre 1797 mußte der Werlweg instandgesetzt werden. Um Material zu bekommen, beschloß der Stadtrat, das Niederste Tor mit Turm abzubrechen. Schon am 5. Mai wurden die Pfannen und was sonst zum Dach gehört, an den Meistbietenden Dalmann für 23 Reichstaler 10 Stüber verkauft. In 8 Tagen mußte das Dach abgenommen und in 14 Tagen das Geld an den Bürgermeister Haus abgeliefert sein.
Am 31. Mai wurde mit Fritz Unkhoff, Franz Wilm Mellmann und Wilhelm Rübe der Kontrakt geschlossen, daß sie bei 30 Stüber Tagelohn den Niedersten Turm abbrechen sollen.
Es wurden 3 Bauplätze gewonnen; den 1. (15x32 Fuß) kaufte für 53 Reichstaler der Camerarius Pantel; den 2. (114x26 Fuß) erwarb für 81 Reichtaler Korfluer, für den 3. der ebenso groß war, bot der Kupferschmied Feldmann 60 Reichstaler, sein Angebot wurde nicht angenommen; da es unter dem Taxwert lag. Die Balken kauften Sodenkamp und Becker für 4 Reichstaler 25 Stüber und 5 Reichstaler 15 Stüber.
Das war das Ende des Niedersten Tores, von dem wir schon unter dem 30. Juli 1672 hörten, daß dort auch ein "Narren- oder Torenkasten" angebracht war, in dem Gert Trilken einen Tag eingesperrt wurde, weil er einige Bohlen gestohlen hatte.
Am 8. November 1792 wurde beschlossen, den Turm bei Meister Drobe bis an die oberste Tür abzubrechen, um Steine für die Anlagen von 2 städtischen Brunnen zu gewinnen. Dieser Turm lag wahrscheinlich an der Vincenz- oder Wasserstraße und wurde auch Menkenwacht genannt.
Im Jahre 1808 verkaufte die Stadt zunächst einige Steine von dem Kumpeturm für je 10 Stüber; 15 Steine erhielt Gerhard Kissing und 4 Franz Flues. Am 27. Februar des folgenden Jahres scheint dann der Turm ganz abgebrochen zu sein; der Platz wurde für 47 Reichstaler an Franz Wilm Vierkante verkauft. Für 13 Steinhaufen wurden 45 Reichstaler 35 Stüber erzielt. Ein Kump ist ein Teich. Der Kumpeturm hatte seinen Namen von dem Glockenteiche, von dem eine Leitung zu einem Springbrunnen führte, der neben dem Hause stand, das an dieser Stelle erbaut wurde. Lehrer Rose hat lange darin gewohnt, und jetzt ist es im Besitz der Familie Schmidt. Die Kellerwände beweisen deutlich, daß hier der Turm gestanden hat.
Im Jahre 1809 tritt die Stadt den Trumpe-Turm - etwas nördlich der Obersten Pforte - und den Graben bis an den Teufelsturm an die Kirchengemeinde ab zur Löschung einer Anleihe von 200 Reichstalern, die der verstorbene Pfarrer Zumbroich der Stadt gegeben hatte. Da die Regierung die Genehmigung geben mußte, zog sich die Sache bis 1812 hin, dann erfolgte die Abtretung.
Am 26. März 1810 wurde der Beschluß gefaßt, den Turm beim Pfarrhause, den Widums- oder Widenhof-Turm abzubrechen und die Steine für den Straßenbau zur Verfügung zu stellen; die Kosten mußte die Chausseekasse tragen.
Dann hören wir noch, daß am 9. März 1813 vom Stadtrat beschlossen wurde, den baufälligen Fillers-Turm abzubrechen, in dem die Wohnung des Scharfrichters und Abdeckers war. Der damalige Scharfrichter Wilm Rosenberg erhielt einen Bauplatz am Teufelsturm, 68 Reichstaler Beihilfe zum Hausbau sowie Steine von der Stadtmauer. Dieser Fillersturm stand in der Nähe des Obersten Tores, wahrscheinlich hinter dem jetzigen Waisenhause.
Um eine bessere örtliche Übersicht über die Türme zu bekommen, machen wir in Gedanken einen Gang entlang der alten Stadtmauer, die wir immer zur linken Hand haben.
Wir durchschreiten das Niederste Tor - am Nordteil des Hauses der Firma Sinn und wenden uns sofort links in der Bergstraße. Neben dem Hause Hollmann sehen wir einen kleinen Teil der Stadtmauer mit einer Schießscharte. Wir wollen uns noch einmal daran erinnern, daß die Mauer früher frei stand und die Häuser links fehlten. Wo das folgende Haus links steht, das Traulich gehört und von einer Flüchtlingsfamilie bewohnt wird, ist ein Keller mit ganz außergewöhnlich dicken Wänden. Auch das Erdgeschoß läßt den Schluß zu, daß hier früher ein Turm gestanden hat, der schmaler war als der Poenigeturm. Es ist vielleicht der Schmale-Turm gewesen, der 1689 erwähnt wird.
Vor den Häusern 21-27 haben wir einen Rest des ehemaligen Lauf- oder Wehrganges, der ungefähr 1 Meter hoch ist. Wo das Haus Nr. 27 steht, das früher der Familie des Totengräbers Böckelmann, jetzt Frohne , gehörte, hat auch ein Turm gestanden, wie der Keller zeigt. Ob es der Graue-Turm war, der 1689 neben dem Schmalen-Turm genannt wird ?
Überschreiten wir nun den Weg, der zur Werringser Straße führt, so kommen wir bald zu Nr. 37, wo früher der erwähnte Kumpeturm stand. Dann kommen wir zu dem erhalten gebliebenen Teufelsturm, der auch schon mehrfach erwähnt wurde.
Wir sind jetzt auf der Pastoratstraße, an der 2 Türme standen. Beim Klüppels-Ueferchen, wo heute das Haus Bartolein, früher Jostmann, steht (Nr.16), hat nach der Ueberlieferung ehemals der Widenhof-Turm gestanden. Auch der Trumpe-Turm wird dort gewesen sein, wo heute das Haus Müller ist (Nr.6), also nahe bei der Obersten Pforte, zu der wir jetzt kommen.
Nachdem wir die Hauptstraße gekreuzt haben, biegen wir in die Vincenzstraße ein, die in der zweiten Hälfte Wasserstraße heißt. Hier standen 3 Türme zunächst der bereits genannte Pulverturm, hinter dem Waisenhaus, etwa dort, wo das Haus Nr. 5 steht, wird der erwähnte Fillersturm gestanden haben. Und in der Nähe wo rechts der "Witte Ort" abbiegt, lag an der Stadtmauer wahrscheinlich die Menkenwacht. Starke Fundamentreste, die bei Bauten gefunden wurden, bestätigen die Annahme.
Nun überschreiten wir die Mühlenstraße, sehen links (bei den Häusern Hammerschmidt-Schauburg) das Mühlentor und außerhalb der Stadtmauer den Rentschreibers Turm, der im vorigen Jahrhundert das obere Fachwerkgeschoß erhielt. Dann gehen wir über die Turmstraße, die früher Trompetenstraße hieß und kommen nach einer scharfen Rechtswendung bald zu dem allbekannten Poenigeturm (Strafturm). Ob hier früher dauernd ein Gefängnis war, ist nicht bekannt, es steht aber fest, daß zur Zeit der Hexenprozesse ein "Turmgefängnis" in Menden war, aus dem ein Angeklagter Namens Blasius Billi eine abenteuerliche Flucht unternahm; ob dies der Poenigeturm war ? Halbwegs zwischen diesem Turm und der Hauptstraße wird dann noch der genannte Uedingturm gestanden haben. Das Niederste und das Oberste Tor hatten ganz nahebei je zwei Türme, die ihnen Schutz gaben.
Wenige Schritte weiter kommen wir wieder zum Niedersten Tor und haben damit unseren kleinen Rundgang beendet.
Kontakt:
Wolfgang Kißmer
Wasserstrasse 14
58706 Menden
Tel: 02373-2953